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Martin Kippenberger, eine wichtige und einflußreiche Figur der Kölner Kunstszene, war ein extrem fruchtbarer Künstler, der sich jedes nur denkbaren Ausdrucksmittels bediente: Gemälde, Zeichnungen, Collagen, Objekte, Editionen, Aufkleber, Poster, Schilder... Er widmete sich einer umfassenden Durchsicht der Themen und Modelle der modernen Kunst und befragte die Geschichte der Kunst nach ihrem Zusammenhang mit politischen Problemen. Sein galliger, stark vom Dadaismus inspirierter Humor bezeugt gleichermaßen seinen Radikalismus wie seine Spottlust. Mit seiner Hyperaktivität, der beunruhigenden Unmäßigkeit seiner Produktion und seinem ironischen Stil schien er sich einer Parodie des Marktes verschrieben zu haben, den er mit seinem Überschwang zu überrumpeln suchte. Mit Arbeiten, denen er vielsagende Titel gab (The Capitalistic Futuristic Painter in his Car, Selling America & Buying El Salvador, Jeans Against Fascism, Arbeiten bis alles geklärt ist, Psychobuildings, Knechte des Tourismus, Kennzeichen eines Unschuldigen, Eurobummel, I Had a Vision) und einigen spektakulären Installationen wies er oft treffsicher auf die Widersprüche der Systeme hin, in denen er sich bewegte. Das Werk, daß er auf der documenta präsentiert, ist das letzte, daß er vor seinem Tod noch fertiggestellt hat. Es ist Teil eines größeren Projekts, das die weltumspannenden Netze parodiert und den Obertitel Metro-Net trägt. Dabei handelt es sich um eine Serie von U-Bahn-Eingängen, die an den ungewöhnlichsten und unerwartetsten Orten installiert werden. Das Projekt begann mit der Installation eines solchen Eingangs auf der griechischen Insel Syros im September 1993. Diese U-Bahn-Eingänge, die an vielen Orten der Welt installiert werden und ein imaginäres und unbrauchbares weltumspannendes Verkehrsnetz bilden sollten, finden sich heute, abgesehen von dem anläßlich der documenta installierten Eingang, nur an zwei Orten, in Syros und in Dawson im Nordwesten Kanadas. Der Eingang in Griechenland ist aus Beton, während der in Kanada aus Holz gebaut ist, so daß jeder dem Klima und dem Aussehen des Ortes angepaßt ist, an dem er sich befindet. Der U-Bahn-Eingang der documenta befindet sich am Ufer der Fulda. Er enthält, wie schon die beiden anderen, ein Ventilationssystem, das die Welle heißer Luft simuliert, die man aus U-Bahn-Schächten kennt. Die hinabführenden Treppen enden im Nichts - ein Zugang zur Welt ist auf diese Weise unmöglich. Sie sind zugleich auch Gegenstand einer Site im Internet, wo sie Teil eines virtuelles Netzes werden. Kippenberger hielt sich gerne auf Syros auf, wo er in einem Komplex aus fünf verfallenen Betonbauten, die ursprünglich als Schlachthaus dienten, ein Museum einrichtete. Er lud regelmäßig andere Künstler ein, bei ihm auf Syros Projekte zu verwirklichen, für die mit Postkarten geworben wurde und die auf diesem Wege Verbreitung fanden. Der Name, den Kippenberger seinem Museum gab, parodiert das bekannte Kürzel für das New Yorker Museum of Modern Art, MoMA, dem er noch ein S für Syros anhängte: MOMAS. Paul Sztulmann |